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Obstbau

Obstbau (hierzu Tafel »Zwergobstbäume«, bei S. 882), die Kultur der Obstgehölze, deren Anzucht in der Baumschule durch Veredelung der Wildlinge geschieht. Die Früchte der wilden Arten finden kaum noch Verwendung. Der Obstbaum soll 50–80 Jahre lang bestehen und Erträge liefern, deshalb ist schon bei der Anpflanzung die gehörige Sorgfalt anzuwenden. Es gibt überall auf dem Lande Platz für Obstanpflanzungen. Man wählt die Obstsorte nach der Lage, dem Boden und den Wasserverhältnissen des Untergrundes. Der tiefgründige lehmige Sandboden ist für alle Obstarten gut, im sandigen Lehm gedeihen Äpfel, in fruchtbarem, nicht nassem Sand Birnen, Walnüsse, Süßkirschen. Sehr geeignet für Obstbau ist immer die Geröllformation des Kalkes speziell für Pflaumen, Sauerkirschen u. a. Für den Obstbau im großen ist die Baumwiese (Baumgut) der geeignetste Betrieb; der Heuertrag bringt die Grundsteuer, das Obst den Überschuss. Wichtig ist bei der Pflanzung die Wahl besten Baummaterials und die Bearbeitung und Düngung des Bodens. Man pflanzt die Bäume mit 6–8 m Zwischenraum in parallelen Reihen, und die Reihen so, dass die Bäume einer jeden vor der Mitte der Zwischenräume der Nachbarreihen stehen, d. h. im Verband. Sauerkirsche und Pflaume sind mit Abständen von 4–5 m zufrieden, Walnussbäume, die alt und sehr breit werden, brauchen 8–10 m. Man pflanzt am besten im Herbst, nur empfindliche Gehölze (Walnuss, Pfirsich) und ferner auf nassen, bindigen Böden alles im Frühjahr. Wenn nicht die ganze Fläche rigolt werden kann, pflanzt man in Löcher 1–1,5 m Durchmesser und 1 m Tiefe. Auf nassen Böden muss gelegentlich Hügelpflanzung stattfinden. Beim Pflanzen beschneidet man an den Wurzeln nur verletzte Stellen und glättet die Schnittflächen, weil an deren Rand die ersten Faserwurzeln erscheinen. An der jungen Krone lässt man die zukünftigen Leitzweige unbeschnitten und kürzt nur etwa vorhandene Seitentriebe (Obstbaumschnitt). Die Leitzweige kürzt man im Herbst nach der Pflanzung um etwa ein Drittel, später niemals mehr. In den ersten Jahren werden die Kronen zur Erziehung einer guten Form und baldigen Blütenansatzes wie Pyramiden behandelt. Man begnügt sich zur Kronenbildung im allgemeinen mit der Anzucht von drei Etagen (Quirlen) von Leitästen, die untereinander mindestens 50 cm Abstand haben sollten. In späteren Jahren, etwa vom zehnten ab, schneidet man nur noch dünnes Holz, zu dicht stehende Zweige und Wasserreiser (Räuber). Die Rinde der Bäume bietet in ihren Rauheiten vielem Ungeziefer Brutstätte und Zuflucht. Man bürstet sie im Oktober, entfernt die Flechtenpolster und gibt einen Anstrich von Lehm, Ätzkalk und Kuhmist oder Rinderblut, der die dort nistenden Insekten und ihre Eier vernichtet. Auf mäßig trockenen Böden lohnt eine Bewässerung der tragenden Bäume außerordentlich; man gießt gleichzeitig mit dem Wasser Jauche aus den Aborten auf die umgegrabene Baumscheibe, der man den Umfang der Krone gibt. Ferner verabreicht man mit dem Wasser chemische Dünger, wie sie von zuverlässigen Fabriken jetzt speziell für die Obstkultur gebrauchsfertig gemischt abgegeben werden. Neben einer ausreichenden Stickstoffdüngung, die sich nach der Größe der Krone richtet und eine reiche Neubildung vegetativer Organe (Jahrestrieb) sichert, gibt man Phosphorsäure in Form von Doppel-Superphosphat oder mit untergegrabenem Thomasmehl; ferner Kali mit 40proz. Kalisalz oder mit Chlorkalium. Außerordentliche Erfolge erzielt man auf den meisten Böden bei älteren, ungenügend tragenden Bäumen mit einer in Perioden von ca. 5 Jahren wiederkehrenden starken Kalkdüngung durch Ätzkalk oder Marmormehl (letzteres auf Sandboden). Schon beim Pflanzen bildet man auf feuchten Böden eine Drainageschicht am Grunde des Pflanzloches von Bauschutt, wegen des darin enthaltenen Kalkes.

Von den mineralischen und chemischen Düngemitteln gibt man, wenn man nicht die fabrikmäßig hergestellten, fertigen Mischungen laut Gebrauchsanweisung anwenden will, etwa folgende Quantitäten. Die etwa 4 m Durchmesser erhaltende Baumscheibe eines 12–15jährigen, schon tragenden Baumes bekommt beim Umgraben der also 12–15 m² haltenden Fläche ca. 500 g schwefelsaures Ammoniak 700 g Chlorkalium und 1500 g Thomasmehl, zusammen also etwa 2500–3000 g oder auf 1 m² 200 g Düngesalz. Diese Düngung, die je nach dem Boden abzuändern oder zu ergänzen ist, kostet etwa 35 Pf. für den Baum. Im allgemeinen kann man für den Großbetrieb nur Hoch- oder Halbstämme gebrauchen, letztere nicht niedriger als 1,5 m Schaftlänge. Alte, sonst noch gesunde Bäume kann man durch Abwerfen der Äste im Frühjahr nach und nach, innerhalb dreier Jahre, verjüngen. Die bald darauf in Massen erscheinenden jungen Triebe sind so auszulichten, dass nur wenige an geeigneten Stellen stehen bleiben zur Bildung der neuen Krone. Ungeeignete Sorten werden durch Umpfropfen mit geeigneteren wirtschaftlich nutzbar gemacht.

Zwergobstbäume (Formbäume, Franzbäume, vgl. Tafel bei S. 882) sind auf schwachwüchsige Wildlingsarten veredelt und zeigen daher gewöhnlich ein schwächeres Wachstum, früheren und reichlicheren Blütenansatz und liefern schöneres Obst (Franzobst) als die Hochstämme. Die Zwergbäume erreichen aber niemals die Tragbarkeit und das Alter von auf starkwüchsige Wildlinge veredelten Kronenbäumen. Ihre Behandlung durch den Schnitt ist folgende: Die Pyramide (Fig. 13) soll in der Mitte einen kräftigen, geraden Stamm haben, von dem in der Entfernung von 35 cm untereinander die Leitäste sich entwickeln; diese werden, von unten angefangen, im Frühjahr so kurz geschnitten, dass jedes Auge zum Austreiben kommt, der Stamm über einem Auge, das verspricht, ihn gerade nach oben fortzusetzen, die oberen Leitäste kürzer als die unteren, so dass schon dadurch die Pyramidenform hergestellt wird. Sollte sich irgendwo eine Lücke zeigen, so kann durch einen Einschnitt bis ins Holz über einem in der Lücke befindlichen Auge der fehlende Zweig hervorgelockt werden. Zu stark treibende Organe können durch Herabbinden oder durch kurzen Schnitt, also über einem schwachen Auge, zu mäßigem Wachstum gezwungen werden. Ende Mai werden sämtliche Augen ausgetrieben haben; die Seitentriebe der Leitäste werden nach und nach entspitzt (pinziert), die oberen kurz, die unteren etwas länger, ebenso die jungen Triebe des Stammes, die werdenden Leitäste, um die Pyramidenform festzuhalten und dadurch den Saft in die unteren Organe zu leiten; die jungen Triebe zur Fortsetzung des Stammes und der Leitäste werden nicht entspitzt. Die entspitzten Triebe werden nun 1–2 Seitentriebe bilden; um diese zugunsten der zu Blütenknospen bestimmten unteren Augen zu schwächen, werden ihnen Anfang Juni bis Ende Juli 3, 4, 5 Blätter genommen, je nachdem sie weiter wachsen, aber niemals die Spitze, weil deren Verlust ein drittes Austreiben verursachen würde. Während im Frühling die Leitzweige wie im vorigen Jahre verkürzt werden, schneidet man die Seiten- (Blüten-) Zweige über dem untersten kräftigen Auge des jüngsten Triebes; mit dem Entspitzen, bez. Entblättern wird wie im vorigen Jahr verfahren. Die Flügel- und Kronpyramide (Fig. 5), die Kandelaberpalmette (Fig. 2), der Kesselbaum (Fig. 6) wie auch der Trauerbaum werden an Draht gezogen, ebenso die Spalierformen (Fig. 1, 3, 4, und 12); bei letzterem stehen die Äste nicht in einer Spirallinie um den Stamm, sondern in einer Ebene, und werden paarweise möglichst symmetrisch rechts und links und in Abständen von 30 cm und mehr gezogen. Der Frühjahrsschnitt der Leitzweige ist ähnlich wie bei den Pyramiden: die unteren lang, die oberen kürzer, bis sie ihre Grenzen erreicht haben und dann zur Verwachsung miteinander vereinigt werden können. Die Frühjahrstriebe dürfen dagegen hier beinahe gleich lang entspitzt werden, weil deren Wachstum bei der waagerechten Richtung der Äste ein ziemlich gleichmäßiges sein wird. Die Anwendung dieser Regeln auf die Schnurbäumchen (Kordons, Girlanden, Fig. 7, 8, 9, und 10) und die Spindelpyramide (Fig. 11) ergibt sich von selbst. Die Sommerbehandlung der Pfirsichspaliere, nach ihnen auch der Aprikosen und anderer Steinobstspalierbäume ist etwas abweichend, aber auch ganz einfach: die Frühjahrstriebe der Seitenaugen entspitzt man baldigst auf drei Augen; von den daraus wachsenden zwei Sommertrieben wird der untere auf drei, der obere auf fünf Augen entspitzt; ersterer wird dann nicht mehr, letzterer aber an der Spitze noch einmal austreiben und auf seiner ganzen Länge Doppel-, d. h. Blüten- und Blattknospen bilden. Etwaige dritte Triebe werden im nächsten Frühjahr über dem Astring abgeschnitten und der untere Zweig mit seinen drei Augen wie der vorjährige behandelt, während der obere, nachdem er seine Früchte gereift hat, weggeschnitten wird.

Das Bestreben, von einer gegebenen Fläche in möglichst kurzer Zeit eine möglichst hohe Rendite durch Obstbau zu erzielen, hat dahin geführt, auch Zwergobst in größeren Massen anzupflanzen, die hohen Spesen aber der sachgemäßen Behandlung zu sparen, indem man überhaupt keine kunstgerechten Formen zieht, sondern den Busch der natürlichen Entwicklung überlässt. Bei dieser Buschobstkultur wird das Land nach gehöriger Vorbereitung durch Dungen und Rigolen gleichmäßig im Verband in 3 m Abstand mit einjährigen Veredelungen auf Zwergunterlage bepflanzt, hauptsächlich mit Äpfeln. Zur Anpflanzung werden nur solche Sorten gewählt, die erfahrungsgemäß schon bald nach der Pflanzung zu tragen beginnen und gute Tafelfrüchte liefern. Der Schnitt beschränkt sich auf das allernotwendigste Auslichten. Da bei dieser Behandlung der Anreiz zu kräftiger Holzentwicklung, die schon durch den Einfluss der Unterlage sehr beschränkt ist, fortfällt, kommen die Pflanzen sehr bald in das Stadium der Tragbarkeit. Die Form dieser Büsche ist streng genommen diejenige wilder Pyramiden. Es sind auf diese Weise recht beachtenswerte Erträge erzielt worden. Sobald aus irgend einem Grund Erschöpfung der Bäume eintritt, wird die Plantage abgeräumt und einige Jahre mit anderer Frucht bebaut. Die Spesen dieser Betriebsweise sind jedenfalls die allergeringsten. Gegen die ausschließliche Anpflanzung nur einer Sorte in großen Massen spricht die in Amerika beobachtete Selbststerilität gewisser Sorten. Bei unseren gemischten Anpflanzungen zahlreicher Sorten wurde sie bisher noch wenig bemerkbar. Sie wurde bisher sowohl bei Birnen und Pflaumen als auch bei Weinreben nachgewiesen, und kann so weit gehen, dass Blütenstaub einer Sorte auf Narben irgend einer Blüte derselben Sorte vollständig wirkungslos ist. Als eine Form dieser Selbststerilität ist die Wirkungslosigkeit des Pollens verwandter Obstsorten zu bezeichnen.

Die Obstbaumzucht in Kübeln und Töpfen ist eine wenig einträgliche, aber manchmal recht hübsche Resultate liefernde Liebhaberei. – Wichtig ist für alle Zwecke bei der Verschiedenartigkeit der Eigenschaften der Obstsorten die Sortenwahl. Der Erfolg der Massenkultur hängt geradezu davon ab, dass Klima, Boden, Spätfrostwahrscheinlichkeit, aber auch die Bedürfnisse des Absatzgebiets berücksichtigt werden. Die Anpflanzung einer einzigen Sorte ist aus oben erwähntem Grunde nicht ratsam. Anderseits aber ist es aus verkaufstechnischen Gründen falsch, allzuviel Sorten zu pflanzen. Das Abernten und der Absatz leiden sehr darunter, wenn viele, kleine Vorräte von verschiedener Reife- und Genusszeit in Frage kommen. Nur große Posten gleichmäßig gut entwickelter Ware können auf dem Markt ordentliche Preise erzielen.

Der Obstbau leidet unter einer Anzahl Krankheiten der Bäume, die zumeist durch Insekten und Pilze hervorgerufen werden. Selten leiden Äpfel- und Birnbäume direkt durch die Winterkälte (1879/80); Pfirsich- und Walnussbaum dürfen in manchen Gegenden überhaupt nur an ganz besonders geschützten Stellen gepflanzt werden. Öfter findet man die sogen. Frostplatten, die entstehen, wenn die Kambiumschicht des Baumes durch Frost getötet ist. Sie entstehen infolge des oft sehr schroffen Temperaturunterschiedes, den in den kalten Wintermonaten gelegentlich die Sonne bei Tage auf der einen Seite des Stammes erzeugt. Die Sonnenwirkung mäßigt ein weißer Anstrich von einem Gemisch aus Kalk und Rinderblut. Wichtig ist dann die Pflege der durch den Frost verletzten Stellen durch Ausschneiden der Frostplatten und Überziehen der Wunden mit Lehmpflaster oder mit Baumwachs oder Karbolineum, um das Eindringen parasitischer Pilze zu verhindern und die Überwallung der Wunden zu ermöglichen. Weit öfter schädigen Spätfröste zur Zeit der Blüte den Obstbau. Wenn verschiedene Sorten angepflanzt sind, die auch verschiedene Blütezeit haben, so wird der Frost immer nur einen Teil der Sorten treffen. Man sucht diesen Frösten durch Raucherzeugung entgegenzuwirken. In gewissen Tallagen, die oft als »Frostlöcher« bekannt sind, ist dies in windstillen Nächten möglich, wenn alle Nachbarn zusammenwirken. Man erzeugt den Rauch am wirksamsten durch mit Teer bestrichene Torfstücken, die schwelend erhalten werden.

Gegen die Obstschädlinge aus dem Tier- und Pflanzenreiche (s. Tafel »Gartenschädlinge«) geht man mit Erfolg jetzt vielfach gemeinsam und gleichzeitig vor, was allein Abhilfe bringen kann. Die Bekämpfung einzelner besonders gefährlicher Schädlinge ist der staatlichen Kontrolle unterworfen. Gegen einige andere richten sich polizeiliche Verordnungen. Ein einheitliches Zusammenarbeiten ist sehr wohl wirksam, da es sich um verhältnismäßig wenige Bekämpfungsmittel und Maßregeln handelt. Kampfmittel gegen die Feinde aus dem Insektenreich sind Leimgürtel und die Obstmadenfalle (gegen Frostspanner und Obstmade). Ferner Petroleumemulsionen, Seifen- und Nikotinlösungen gegen die verschiedenen Läuse. Gegen die Pilzkrankheiten wirken Schwefelblüte und gemahlener Schwefel und Kupferkalkbrühe (Bordeauxbrühe). Letztere muss kurz vor dem Gebrauch hergestellt werden. Man schüttet gleichzeitig in ein entsprechend großes Gefäß eine Losung von 2 kg Kupfervitriol in 50 Ltr. Wasser und frisch bereitete Kalkmilch aus 2 kg Kalk und 50 l Wasser. Die nach dem Absetzen absolut reine und farblose Flüssigkeit muss rotes Lackmuspapier blau färben. Verspritzt wird nicht die klare Flüssigkeit, sondern das ganze Gemisch, das die betreffenden Pflanzenteile mit einem feinverteilten blauen Anflug überziehen muss. Sämtliche Mittel müssen wiederholt angewendet werden. In den großen Obstplantagen Nordamerikas operiert man vielfach gegen die Insekten mit schärferen Mitteln, wie Blausäure, Schwefelkohlenstoff (auch bei Obstbäumen) und Arsenikfarben. Die Anwendung erfordert aber Einrichtungen, die nur für den Großbetrieb lohnen, und ist auch nicht ganz ungefährlich.

Geschichte des Obstbaues.

In den Felsengräbern von Beni Hassan in Ägypten finden sich Abbildungen des Acker- und Gartenbaues, und aus dem alten Indien erzählen Megasthenes und Râmâyana von den Gärten der Stadt Ajodjha, die mit dem Mangobaum (Mangifera indica), dem feinsten Obst in Ostindien, bepflanzt waren. Homer spricht wiederholt vom Obstbau. Besondere Sorgfalt widmete der ältere Kyros dem Obstbau, und die Heerstraßen, welche die Provinzen mit der Hauptstadt verbanden, wurden mit Obstbäumen bepflanzt. Der Obstbau galt für eine königliche Beschäftigung, und die persischen Könige pflanzten bei feierlichen Gelegenheiten an geweihten Stellen mit eigener Hand Obstbäume. Die alten Römer hatten bei ihren Villen meist einen besonderen Obstgarten (pomarium). Cato beschreibt 6 Birnen- und 2 Äpfelforten, und Plinius kennt schon 25 Äpfel-, 36 Birnen- und 8 Kirschensorten. Durch Cäsar mag die Kenntnis vom Obstbau auch nach Deutschland gekommen sein, und das Salische Gesetz kennt gepfropfte Obstbäume. Karl d. Gr. widmete seinen Obstgärten, namentlich in Ingelheim, große Sorgfalt und ließ auf allen seinen Domänen am Ufer des Mains und seiner Nebenflüsse solche anlegen. 1555 erschien »Das Künstliche Obstgartenbüchlein« des Kurfürsten August von Sachsen; derselbe Fürst erließ ein Gesetz, wonach jedes junge Ehepaar mindestens zwei Obstbäume pflanzen musste. Ums Jahr 1600 beschrieb Olivier de Serres, genannt »der Vater des Landbaues«, in Frankreich 46 Äpfel- und 69 Birnensorten. Knoop in Holland gab 1760 in seinem »Hortulanus mathematicus et scientiarum amator« eine ausführliche Beschreibung eines Teiles von Europas Obstsorten heraus. Auch Deutschland, Dänemark, Nordamerika bemühten sich, ihre Obstsorten kennen zu lernen und mit der Einführung besserer Sorten auch deren Pflege zu verbessern. Sickler gab 1794 seinen »Teutschen Obstgärtner« heraus. Die kleinen Residenzen wirkten lange Zeit als zivilisatorische Knotenpunkte auch für den Obstbau, und so konnten in Nassau Christ und Diel beinahe gleichzeitig sich zu hervorragenden Pomologen bilden. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit Kernobst, zwei andere mehr mit Steinobst: das System des Freiherrn Truchseß von Wetzhausen (1819) ist bis heute noch ebenso unübertroffen, wie die 1838 erschienene Klassifikation der Pflaumen von Liegel. Friedrich Wilhelm III. ernannte einen Pomologen, den Oberhofbaurat Manges, 1787 zum Direktor der königlichen Gärten, der 1780–83 in Leipzig eine Klassifikation der Obstsorten hatte erscheinen lassen, in der überall das Bestreben für die Förderung und Verbesserung des vaterländischen Obstbaues sichtbar ist. Von späteren Pomologen und Obstzüchtern sind zu nennen: Jahn in Meiningen (gest. 1867), v. Flotow in Dresden (gest. 1870), Borchers in Herrenhausen bei Hannover (gest. 1872), André Leroy in Angers (gest. 1875), Oberdieck, Lucas, Lepère in Moutreuil bei Paris, Hardy und Dubreuil in Paris, Decaisne in Paris (gest. 1882), dessen Abbildungen von Obstsorten, namentlich Birnen, seiner Zeit von niemand erreicht wurden, Lauche in Potsdam und de Jonghe in Brüssel, E. v. Lade auf Monrepos bei Geisenheim, Matthieu-Berlin u.a. Förderung erhielt der deutsche Obstbau, der lange seinen Bedarf an guten Obstbäumen aus Frankreich decken musste, durch Errichtung von Staats- und Provinzialobstbaumschulen, durch Lehranstalten (Geisenheim, Proskau, Potsdam etc.) und durch zahlreiche Vereine und deren Ausstellungen. Der Obstbau ist in England, Frankreich, Österreich und in der Schweiz hoch entwickelt. In Böhmen schätzt man die Anzahl der Obstbäume auf 16 Mill. und den jährlichen Ertrag auf 10 Mill. Mk. In Deutschland sind durch ihre Lage bevorzugte Landstriche, die besonders gutes und viel Obst liefern, in Baden die Bergstraße, Heidelberg, die Umgegend von Bühl, in Elsass-Lothringen Metz, in Hessen-Nassau der Rheingau, ferner das ganze Rhein- und Moseltal, die Rheinpfalz, der Kreis Unterfranken (am Main), im Königreich Sachsen das Elbtal, in Thüringen das Saaletal, in Hannover das an der Elbe gelegene »Alte Land« (Regbez. Stade), bei Hamburg die Vierlanden; in der Provinz Brandenburg die hügeligen Gegenden bei Guben, bei Potsdam die Insel Werder. Ausdehnungsfähig ist der Obstbau in den Küstenländern des Baltischen Meeres, wo besonders die Äpfel hervorragend gut gedeihen und ein Aroma zeigen, wie nirgendwo anders. Das Beerenobst wird neuerdings auch mehr gebaut, da die Fabrikation von Beerenweinen sehr zugenommen hat.

Statistisches, Obsthandel. Nach der Obstbaumzählung von 1900 betrug die Zahl der Obstbäume auf 1 km² landwirtschaftlich benutzter Fläche in:

Im Deutschen Reich betrug die Zahl der Äpfelbäume 52,8 Mill., die der Birnbäume 25,1, der Pflaumenbäume 69,4 und der Kirschbäume 21,5, zusammen 168,8 Mill. Auf 1 km² Gesamtfläche entfallen 97 Äpfelbäume, 46 Birnbäume, 128 Pflaumenbäume, 40 Kirschbäume, zusammen 311 Obstbäume. Auf den Kopf der Bevölkerung gibt es im Deutschen Reiche 3 Obstbäume. Den geringsten Obstbau haben Westpreußen mit 187, die beiden Mecklenburg mit 171 und 175, Pommern mit 169 und Ostpreußen mit nur 134 Obstbäumen auf 1 km² landwirtschaftlich benutzter Fläche. Preußen steht unter dem Durchschnitt, noch mehr Sachsen, während Württemberg, Baden, Elsass-Lothringen und Thüringen sehr reich an Obstbäumen sind: den größten Reichtum besitzt der Neckarkreis mit 876 Apfelbäumen, 315 Birnbäumen, 289 Pflaumenbäumen und 80 Kirschbäumen auf 1 km². Bayern und Hessen haben wenig über den Durchschnitt.

In Deutschland wurden eingeführt:

und ausgeführt:

An gedörrtem und einfach zubereitetem Obst wurden 1904 in Deutschland eingeführt: 825,345 dz Dörrobst und 1077 dz Säfte, ausgeführt: 1227 dz Dörrobst und 521 dz Säfte. Aus den Tabellen ergibt sich, dass Deutschland zur Deckung seines Bedarfs aus dem Ausland (Österreich, Frankreich, Italien, Vereinigte Staaten, Britisch-Nordamerika, Australien) mit gedörrtem Obst etc. 2 Mill. dz im Wert von ca. 40 Mill. Mk. bezieht. Zur Ausschaltung dieser Einfuhr würden noch etwa 15 Mill. Obstbäume erforderlich sein, etwa 10 Proz. der jetzt vorhandenen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass ein großer Teil dieser Bäume angepflanzt werden könnte, ohne die anderen Kulturen zu beeinträchtigen. Die deutsche Landwirtschaft hat den Obstbau bis jetzt arg vernachlässigt.

Vgl. außer den Schriften von Ed. Lucas (s. d.) und Hermann und Rudolf Goethe (s. d.): Lindemuth, Handbuch des Obstbaues (Berl. 1883); Gaucher, Praktischer Obstbau (3. Aufl., das. 1903) und Handbuch der Obstkultur (3. Aufl., das. 1902); Bode, Grundzüge des landwirtschaftlichen Obstbaues (Altenb. 1900); Stoll, Obstbaulehre (3. Aufl., Bresl. 1899); Mertens, Unterweisungen im Obstbau (2. Aufl., Wiesb. 1901); Böttner, Praktisches Lehrbuch des Obstbaues (3. Aufl., Frankf. a. O. 1906) und Das Buschobst (4. Aufl., das. 1906); Nerlinger und Bach, Der landwirtschaftliche Obstbau (6. Aufl., Stuttg. 1905); Rebholz, Anleitung zum Obstbau mit spezieller Berücksichtigung der Spalierzucht (3. Aufl., Wiesb. 1905); Hupertz, Landwirtschaftlicher Obstbau (Würzb. 1902); Werck, Kultur der Zwergobstbäume (5. Aufl. von Kiebler, Aarau 1904); Gärtner, Erziehung, Schnitt und Kultur der Form- oder Zwergbäume (5. Aufl., Frankfurt a. O. 1899); Buche, Der praktische Zwergobstbau (Straßb. 1897); Löbner, Der Zwergobstbaum und seine Pflege (Berl. 1899); Christ und Junge, Anleitung für die Wert- und Rentabilitätsberechnung der Obstkulturen (das. 1905). Über Krankheiten und Schädlinge: E. L. Taschenberg, Schutz der Obstbäume gegen feindliche Tiere (3. Aufl. von O. Taschenberg, Stuttg. 1901); Sorauer, Schutz der Obstbäume gegen Krankheiten (2. Aufl. der gleichnamigen Schrift von E. Lucas, das. 1900); Henschel, Die schädlichen Forst- und Obstbauminsekten (3. Aufl., Berl. 1895); Lämmerhirt, Die wichtigsten Obstbaumschädlinge und die Mittel zu ihrer Vertilgung (2. Aufl., Dresd. 1903); Held, Den Obstbau schädigende Pilze und deren Bekämpfung (Frankf. 1902); Brick, Das amerikanische Obst und seine Parasiten (Hamb. 1899, Ergänzungen 1900); Kirchner, Die Obstbaumfeinde, ihre Erkennung und Bekämpfung (Stuttg. 1903) und Atlas der Krankheiten und Beschädigungen unsrer landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. 5. Serie: Obstbäume (mit Boltshauser, das. 1899, 3 Blatt); Schlösser, Die amerikanische Obstindustrie (Frankf. a. O. 1905). S. auch Gartenbau und Pomologie.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909