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Hafer

Hafer

Hafer (Avena L.), Gattung der Gramineen, ein- oder mehrjährige Gräser mit zwei- bis sechsblütigen Grasährchen in Rispen; die Hüllspelzen sind häutig, ungleich, die Deckspelzen auf dem Rücken gerundet, oft zweizähnig, die Rückengranne ist gekniet, unten gedreht (bei Kulturformen bisweilen fehlend oder gerade). Über 50 Arten in den gemäßigten Zonen der Alten, spärlich in der Neuen Welt. Der ausdauernde weichhaarige Wiesenhafer (Rainhafer, Avena pubescens L., s. Tafel Gräser II, Fig. 5), 60 cm hoch, mit 1,3 cm langen Grasährchen, dicht behaarten unteren Blattscheiden und Blättern, wächst auf trockenem, aber nicht dürrem, sonnigem Land und auf besseren Wiesen und ist ein gutes Futtergras; der ausdauernde Trifthafer (Berghafer, A. pratensis L., Fig. 3), 30 bis 60 cm hoch, mit reichblütigen Grasährchen und kahlen Blattscheiden, bildet kleine Stöcke mit breiten, kurzen Wurzelblättern, wächst auf Kalk- und Sandmergel, an dürren Rändern und auf Triften, gibt feine reiche, aber sehr gute, nahrhafte Weide und eigenet sich mit Klee zur Besäumung von Triften. Mehrere andere Arten (Wildhafer) sind einjährige Ackerkräuter. A. elatior (französisches Raigras), s. Arrhenaterum; A. flavescens (Goldhafer), s. Trisetum. Der gemeine Saathafer (Rispenhafer, A. sativa L., Tafel Getreide II, Fig. 1 und 2) hat eine nach allen Seiten hin ausgebreitete Rispe mit zwei, drei, auch vier fruchtbaren Blüten in den Grasährchen. Die Granne der Deckspelze ist gerade oder fehlt, die Fruchtspelzen fallen nicht aus. Stammt vielleicht vom Flughafer (A. fatua L.), dessen Grannen gekniet sind, und dessen Fruchtspelzen ausfallen, oder von einer ähnlichen Art, deren es in Südeuropa und Westasien mehrere gibt. Der Hafer geht unter den Getreidearten im regelmäßigen Anbau am weitesten nördlich (in Norwegen bis 69,5° nördlicher Breite), braucht aber eine längere Vegetationszeit als die kleine Gerste (16–22 Wochen). Er ist widerstandsfähiger gegen die Witterung als andere Halmfrüchte und kann sich vermöge seiner starken Wurzeln, die sich nicht wie die der Gerste dicht und büschelartig verbreiten, auch auf geringerem Boden entwickeln und ebenso in noch nicht kultiviertem Land. Man unterscheidet zwei Hauptrassen: Rispenhafer mit ausgebreiteter, und Fahnenhafer (Stangen-, Trauben-, Kamm-, türkischer Hafer, A. sativa orientalis Schreb., s. Tafel Getreide II, Fig. 1) mit zusammengezogener, einseitswendiger Rispe. Jede derselben zerfällt in beschalte und nacktfrüchtige Varietäten, die ersteren nach der Farbe der Fruchtspelzen in weiße, gelbe, graue, braune und schwarze. Bei dem Nackthafer (Avena orientalis gymnocarpa Kcke., s. Tafel Getreide II, Fig. 3) ist die Ährchenachse verlängert und trägt 4 bis 6, die Hüllspelzen bedeutend überragende Blüten. Die Deckspelzen sind dünnhäutig und lassen die Frucht ausfallen. Der Rispenhafer (A. sativa patula) nimmt in feinen gestrecktkörnigen, gelben Formen mit leichterem Boden vorlieb (z. B. Goldhafer), für üppigen Boden sind die gedrungenen, weißkörnigen Arten (Eichelhafer) geeigneter; die begrannten Sorten findet man in dürren und in hohen Lagen vorherrschend. Der Fahnenhafer verträgt Frühlingsfröste besser als der gemeine, bestockt sich mehr, lagert sich nicht leicht, gibt aber nur in sehr guten Lagen bessere Erträge als der Rispenhafer, braucht 1 bis 2 Wochen länger zur Reife, bricht sich schwerer, und sein Korn ist meist weniger wertvoll wegen der stärkeren Spelze. Der große, nackte Hafer (A. sativa nuda Al.) gibt selbst auf reichem Land schlechte Erträge; seine durch Pressen aus den Spelzen entfernten Körner werden zur Grütze verwendet, wie der ebenfalls sehr selten und fast nur in Österreich gebaute kleine, nackte Hafer (A. sativa nuda L.). Letzterer ist vorzüglich zu Gemengesaaten geeignet und gibt leidliche Erträge. Der chinesische Nackhafer (A. sativa chinensis Fisch.) wird in China ausschließlich, in neuerer Zeit auch in Nordamerika angebaut, hat aber für Deutschland keine wirtschaftliche Bedeutung. Der Rauhhafer (A. strigosa Schreb.) und der Kurzhafer (A. brevis Roth) unterscheiden sich von A. sativa durch die gestielte untere Blüte und die meist zweigrannigen Ährchen. Die Früchte sind kürzer und breiter. Beide Arten werden nur noch wenig gebaut, erstere hin und wieder noch in Spanien, Portugal, auf den Orkney- und Shetlandinseln, in Mecklenburg, Holstein etc.

Die eiweißartigen Stoffe des Hafers bestehen vorzugsweise aus Pflanzenkasein von der Zusammensetzung und den Eigenschaften des Legumins, jedoch mit dem Schwefelgehalt und den Löslichkeitsverhältnissen des Glutenkaseins. Infolge dieses hohen Gehalts an Kasein erscheint der Hafer den Hülsenfrüchten sehr ähnlich. In geringer Menge enthält er außerdem sehr schwefelreichen Pflanzenleim (Gliadin). Die Asche enthält vorwiegend Kieselsäure, Phosphorsäure, Kali und Magnesium. Übrigens schwankt die quantitative Zusammensetzung nach Art, Varietät, Bodenbeschaffenheit und Klima.

Der Hafer, dessen ursprüngliches Vaterland man nicht mehr kennt, kann füglich als die ursprüngliche europäische Brotfrucht angesehen werden. Kelten und Germanen kultivierten ihn schon vor 2000 Jahren, und er scheint sich von da aus in den gemäßigten und kalten Erdstrichen aller Weltteile verbreitet zu haben. Ägyptern, Hebräern, Griechen und Römern war er nicht bekannt. Mit der Einführung nahrhafterer und besserer Zerealien wurde er immer mehr auf mageren Boden und in unwirtliche Gegenden zurückgedrängt. In Norwegen ist Hafer das Hauptgetreide und wird teils als Grütze, teils als flache Kuchen (Fladbröte) genossen. Ebenso in Schottland, Irland, auf den Orkney- und Shetlandinseln. Im übrigen Europa und in Nordamerika wird er Hauptsächlich als Pferdefutter kultiviert, auch bereitet man Hafergrütze und in Belgien gewisse Weißbiersorten aus Hafer. Haferschleim, aus Grütze gekocht, dient als reizmilderndes Getränk. Hafergrütze wird zu erweichenden Umschlägen benutzt. Außerdem wird Hafer als Grünfutter gebaut. Feinde des Hafers sind Brand- und Rostpilze, das Stockälchen, die Fritfliege, die Zwergzikade und der schwarze Kornwurm. Vgl. die Karten Landwirtschaft in Österreich, sowie die Artikel Getreidebau, Futter und Fütterung.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909